Das Goethe Wahrzeichen

Frankfurter Journal - Juli 2003
"Neue Presse" - Sept. 2003

Der Turmdoktor bei der Arbeit

Sachsenhausen. "Von hier oben sieht man ja die ganze Welt!" ruft das kleine Mädchen verzückt, als es mit seiner Mutter die 196 Stufen bis zur Plattform des Goetheturms erstiegen hat. Die ganze Welt - das ist vielleicht etwas zu übertrieben. Aber zumindest der Blick über Rhein-Main-Gebiet ist vom höchsten Holzbauwerk Deutschlands aus tatsächlich atemberaubend.

Keine Augen für Frankfurter Skyline hat hingegen Ingo Hoss, wenn er auf dem 43 Meter hohen Turm steht. Der 38-Jährige Zimmermannsmeister und erfahrene Holzgutachter aus Kriftel, der 15 Jahre in der Denkmalpflege gearbeitet hat, untersucht den zustand des Goetheturms. Dazu klettert er auch hoch oben über den Baumkronen auf den schmale Balken der Konstruktion, um sich die Schäden an dem Bauwerk anzusehen. "Als Zimmermann muss man schwindelfrei sein!", sagt er.

Denn für sein Gutachten und Restaurierungskonzept nimmt er den Turm ganz genau unter die Lupe. Die gute Nachricht: Schwerwiegende Schäden hat Ingo Hoss dabei nicht festgestellt. "Das ist ein richtig klasse Ding", meint er. " Ich kannte ihn gar nicht. Es hieß nur, es geht um einen Holzturm im Wald. Aber das ist schon gigantisch". Ich habe in ganz Deutschland herumtelefoniert, da gibt es nirgends Erfahrung mit Restaurierung von so großen Gebäuden. Sonst sind Forstbauwerke ja klein - da reißt man einfach ab und baut neu." Voraussichtlich Ende August wird der Goetheturm für etwa zwei Wochen geschlossen und saniert. Dazu rollt eine gewaltige Hebebühne an, auf der die Handwerker arbeiten werden.

Kopfschüttelnd zeigt er mehrere Brandstellen auf der Aussichtsplattform, wo Vandalen auf dem Holzbauwerk offensichtlich Grillfeuer angezündet haben. Graffiti-Schmierer verschonen das dunkelbraune Holz auch nicht, und oft werden Bretter herausgetreten. "Randale ist wohl das Gefährlichste für den Turm", glaubt er.

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Auch die Feuchtigkeit hat dem Turm in den vergangenen 70 Jahren zugesetzt. "Die Witterung ist hier im Wald extrem. Jeden Morgen gibt es Nebel, und die Bäume standen viel zu dich und haben den Turm verschattet. Dadurch sind Moose und Algen auf dem Holz gewachsen", meint der Experte mit geschlucktem Blick.

Als "Erste Hilfe" hat das Forstamt nun einige Buchen in unmittelbarer Nachbarschaft des Turms gefällt, die - vermutlich beim Bau vor 70 Jahren - zu nah

gepflanzt worden waren. Die Sonne kann nun die Nässe wieder besser trocknen. "Wenn das Holz gut gelüftet ist, dann hält der Turm noch sehr lange!" 

Schließlich gibt es einige simple Tricks, wie die Konstruktion geschützt wird und die Zimmerleute bei Bau 1931 angewandt haben. Keile beispielsweise werden schräg gestellt, Kanten stehen leicht über und werden abgerundet, dann kann der Regen besser ablaufen, und es bleibt kein Wasser stehen. Im laufe der vergangenen 70 Jahre haben sich Kanten verzogen und Keile verdreht und bieten der Nässe so mehr Angriffsfläche. Bei den späteren Flickarbeiten sind diese Details oft auch gar nicht berücksichtigt worden. Sie sollen nun wiederhergestellt werden. Der Turm ist aus Lärche, dem hochwertigsten deutschen Nadelholz.

"Wenn man die Stämme schält und nur die Rinde Entfernt, hält das Holz außerdem länger. Balken oder geschnittenes Holz haben keine so lange Lebensdauer." Außerdem muss der Turm regelmäßig gestrichen werden. Wann das beim Goetheturm zum letzten Mal gemacht wurde, ist unklar, dürfte aber schon etliche Jahre zurückliegen. Trotzdem richt das Holz immer noch intensiv nach Teeröl, das heute nicht mehr zugelassen ist.

"Chemische Mittel sind grundsätzlich eine potenzielle Gefahr für Mensch, Tier und Umwelt", sagt Hoss. "Da muss man aufpassen, dass nicht der Boden kontaminiert wird. Zudem gehen die Insekten in der Umgebung kaputt." Er empfiehlt ein giftfreies Holzschutzmittel aus Harzen und Zellulose. "Pilze und Schadinsekten erkenn das Holz nicht mehr als Nahrungsquelle. Das Mittel hat wegen der fehlenden Giftigkeit in Deutschland noch keine Zulassung, in Österreich und der Schweiz schon." Andreas Hartmann 

Frisch saniert: Auf dem Goetheturm geht's wieder

„An sich ist der Turm noch in einem ziemlich guten Zustand“, urteilt Holzexperte Ingo Hoss. Der 38-jährige Gutachter aus Kriftel, ein gelernter Zimmermannsmeister mit langjähriger Denkmalpflege-Erfahrung, hat den Turm in den vergangenen Wochen genau untersucht. Auf seinen Rat hin sind im Juli bereits einige Bäume gefällt worden, die beim Bau vor 70 Jahren gepflanzt wurden und im Sockelbereich für ein feuchtes Kleinklima sorgten.

Im heißen und trockenen Sommer ist das Holz nun wieder völlig abgetrocknet. Gebaut ist der Turm aus dem sehr beständigen Lärchenholz. „Balken oder geschnittenes Holz haben keine so lange Lebensdauer", erklärt Ingo Hoss. „Wenn man die Stämme schält und die Rinde entfernt, ist das Holz jedoch viel wiederstandfähiger.“ Das ist einer der Tricks, den die Erbauer angewendet haben. Andreas Hartmann